Nachstehend ein vollständiger Abruck des Interviews, welches die Redaktion von www.schulzendorfer.de mit RA Hennig am 1. September 2010 geführt hat:
Im Zusammenhang mit den Schäden in der Butze erhielt die Redaktion Schulzendorfer.de zahlreiche Anfragen von Lesern, die näheres zur rechtlichen Situation erfahren wollten. Wofür muss eine Baufirma bei schlechten Witterungsverhältnissen sorgen? Welche Verantwortung trägt der Auftraggeber für Leistungen, die in einer Schlechtwetterperiode ausgeführt werden. Die Redaktion Schulzendorfer.de nahm das zum Anlass und sprach mit dem Baurechtsexperten, Rechtsanwalt Heribert Hennig aus Berlin. Seit vielen Jahren steht er privaten und gewerblichen Bauherren erfolgreich zur Seite, wenn es um das Bauen geht.
Herr Hennig, wenn ein ganz erheblicher Wasserschaden an einem Gebäude eintritt, weil offensichtlich bei einer Dachsanierung unzureichende Schutzmaßnahmen getroffen worden sind, dann muss doch jemand dafür einstehen, oder?
Wie ich Beiträgen auf Schulzendorfer.de entnahm, denken Sie da an die Butze.
Genau, können sie uns etwas zu dem Thema Witterungsschutz am Bau sagen? In Zeiten des Klimawandels wird es hier ja vermehrt zu Problemen kommen.
Das ist sicherlich richtig, vorweg möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass ich den "Fall Butze" nicht rechtlich bewerten kann. Ohne Kenntnis des Bauvertrages und der unter den Baubeteiligten gewechselten Schreiben sowie der konkreten Wetterereignisse, die den Schaden ausgelöst haben, ist eine fundierte Beurteilung nicht möglich.
Verstehen wir Sie da richtig, wenn also bei einer Dachsanierung nichts von einem Schutz des Bauwerks vor Regenwasser im Bauvertrag geschrieben steht, dann ist der Dachdecker nicht in der Pflicht?
Grundsätzlich ist es so, dass der Bauunternehmer nur die Arbeiten schuldet, zu denen er sich durch Vertrag verpflichtet hat. Bei der Sanierung eines Daches, sind das zunächst nur die Arbeiten, die unmittelbar für die Errichtung des neuen Dachs erforderlich sind, also u.a. die Abnahme des alten und die Errichtung des neuen Dachs in der vereinbarten Bauzeit und mit den vereinbarten Materialien.
Muss der Bauherr also alle Eventualitäten und wenn man so will, jeden Handgriff vertraglich vereinbaren?
Nein, das natürlich nicht, aber man sollte als Bauherr nie den oben genannten Grundsatz aus den Augen verlieren, sonst kann die Enttäuschung bei der Abnahme groß sein.
Wie ist es denn nun genau? Wenn ein Dach saniert wird, die Ziegel abgenommen sind, wer ist eigentlich für den ausreichenden Schutz des Bauwerks vor Regenwasser verantwortlich.
Sie erwarten jetzt eine einfache Antwort. Aber die gibt es in rechtlichen Dingen oft nicht. Um das Problem zu verstehen, braucht man zumindest ein grobes Verständnis von einem Bauvertrag. Im Bauvertrag wird in der Regel mittels eines sog. Leistungsverzeichnisses vereinbart, welche Arbeiten der Bauunternehmer wo und mit welchen Materialien auszuführen hat. Daneben finden sich noch u.a. Angaben zur Bauzeit, zu Sicherheiten, Vertragsstrafen und Abschlagszahlungen. Schutzmaßnahmen gegen Witterungseinflüsse werden allerdings (leider) eher selten vereinbart. In aller Regel werden aber die VOB Teil B und mit ihr auch die VOB Teil C in den Bauvertrag einbezogen. Die VOB Teil B ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die nur dann Vertragsbestandteil wird, wenn sie ordnungsgemäß in den Bauvertrag einbezogen wird. Dazu ist gegenüber einem Verbraucher erforderlich, dass er die VOB Teil B bei Vertragsschluss vollständig ausgehändigt bekommt.
Ist es denn vorteilhaft für den Bauherrn, wenn die VOB Teil B in den Bauvertrag einbezogen wird?
Viele baurechtliche Probleme werden von der VOB Teil B gelöst, d.h. sie enthält Antworten auf Fragen, die sich bei Bauablaufstörungen immer wieder stellen. Das BGB gibt da häufig keine konkreten Antworten. Man kann aber nicht sagen, die VOB Teil B würde einseitig den Unternehmer oder den Auftraggeber bevorzugen. Es kommt immer auf das konkrete Problem an und natürlich auf die genaue Kenntnis der hierzu passenden Klausel der VOB Teil B. Für den, der sich mit der VOB Teil B auskennt, ist sie sicherlich ein Segen.
Was sagt denn nun die VOB Teil B über Schutzmaßnahmen bei Dachsanierungen aus?
Die VOB Teil B selbst nicht viel, aber über § 1 Nr. 2 e) VOB/B werden die sog. Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) in den Bauvertrag einbezogen. Das ist eine andere gängige Bezeichnung für die VOB Teil C. Während die VOB Teil B eher vertragliche Regelungen enthält, macht die VOB Teil C technische Vorgaben und gestaltet damit das Leistungssoll ganz entscheidend mit. Für jede gängige Handwerkerleistung gibt es eine eigene ATV. Jede ATV enthält unteranderem zu dem Punkt 3 "Ausführung" und zu dem Punkt 4 "Nebenleistungen, Besondere Leistungen" ganz spezifische technische Vorgaben. So schreibt die ATV Dachdeckungs- und Dachabdichtungsarbeiten - DIN 18338 unter Punkt 4.2.1 vor, dass Maßnahmen zum Schutz vor ungeeigneten klimatischen Bedingungen eine besondere Leistung ist. Auch die Errichtung eines Notdaches ist nach Punkt 4.2.13 ATV DIN 18338 eine besondere Leistung.
Was bedeutet hier "Besondere Leistung" ?
Der Bauunternehmer muss besondere Leistungen zum vereinbarten Preis nur dann erbringen, wenn sie in dem Leistungsverzeichnis des Bauvertrages bereits besonders erwähnt wurde. Andernfalls kann er nur gegen Gewährung einer Mehrvergütung verpflichtet werden, die besondere Leistung zu erbringen. Man spricht dann von einem sog. Nachtrag.
Ist denn wirklich jeder Witterungsschutz gleich eine "Besondere Leistung"?
Nein, nach Punkt 4.1 ATV DIN 18338 und allgemein nach ATV DIN 18299 Punkt 4. 1.10 gehört das Sichern der Arbeiten gegen Niederschlagswasser, mit dem normalerweise gerechnet werden muss, und seine etwa erforderliche Beseitigung, zu den Nebenleistungen. Diese sind dann auch ohne gesonderte Erwähnung im Bauvertrag zu erbringen und lösen keinen Mehrvergütungsanspruch aus.
Jetzt verstehen wir Ihren obigen Hinweis auf das Wetter. Es kommt also maßgeblich darauf an, in welcher Jahreszeit die Dachsanierung stattfinden soll?
Richtig, wenn in Zeiten mit schlechtem Wetter, also bei dauernder Feuchtigkeit und Nässe oder gar bei Eis und Schnee die Dachsanierung stattfinden soll, dann ist klar, dass besondere Leistungen anfallen werden. Bei gutem Bauwetter muss jedoch der Dachdecker auf eigene Kosten, eine Sicherung der Baustelle gegen Niederschlagwasser vorhalten.
Welche Verantwortung für angemessene Wetterschutzmaßnahmen tragen der Auftraggeber bzw. der Bauleiter?
Der Auftraggeber muss in erster Linie die finanziellen Mittel bereitstellen, um die Wetterschutzmaßnahme, die ihm sein Bauleiter oder der Bauunternehmer zu empfehlen haben, beauftragen zu können. Wenn also der Auftraggeber von seinen Vertragspartnern richtig beraten wird, dann muss er ggf. einen Nachtrag beauftragen, um seinen Bau zu schützen. Der Architekt bzw. der Bauleiter wiederum schulden dem Auftraggeber einen rechtzeitigen Hinweis, dass die bauseits vorhandenen Sicherungsmaßnahmen nicht oder nicht mehr ausreichen. Sofern es sich nach den klimatischen Verhältnissen noch um Nebenleistungen handelt, hat der Bauleiter den Bauunternehmer an seine Leistungspflicht zu erinnern. Sind jedoch besondere Leistungen notwendig, die vertraglich noch nicht vereinbart worden sind, dann muss umgehend der Auftraggeber an seine Mitwirkungspflicht erinnert werden.
Ist es schon zu Schäden gekommen, stellt sich die Frage nach der Haftung. Diese hängt von der eigentlichen Schadensursache ab. War die temporäre Sicherung gegen Niederschlagswasser bereits durch den Architekten schlecht geplant, kann er sich neben dem Bauunternehmer gegenüber dem Bauherren schadenersatzpflichtig gemacht haben. Allerdings muss sich der Bauherr bei der Inanspruchnahme des Bauunternehmers wegen Planungsfehler seines Architekten, ein Mitverschulden anrechnen lassen (vgl. OLG Frankfurt BauR 2008, 1144). Sind hingegen die ordnungsgemäßen Pläne des Architekten lediglich fehlerhaft umgesetzt worden, dann haften der Bauleiter und der Bauunternehmer dem Bauherren gesamtschuldnerisch für den eingetretenen Schaden.
Wenn starker Wind die Planen wegreißt und es dann zu Wasserschäden durch starke Regenfälle kommt, zählt das zu höherer Gewallt?
Ist die VOB Teil B nicht vereinbart, dann spielt Ihre Frage oft kein große Rolle, denn bis zur Abnahme trägt der Bauunternehmer die Leistungs- und die Preisgefahr. Er muss also seine Werkleistung auf eigene Kosten erneut erbringen, falls Unwetter diese vor Abnahme zerstört haben sollten. § 7 der VOB Teil B macht hier ein Zugeständnis an den Bauunternehmer und billigt ihm auch dann eine Vergütung zu, falls das Bauwerk durch höhere Gewalt oder andere objektiv unabwendbare Ereignisse beschädigt wird. Dann muss der Bauherr zweimal zahlen.
Höhere Gewalt kann also nur ein unabwendbares Ereignis sein. Nach § 6 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B scheiden alle Witterungseinflüsse während der Ausführungszeit als höhere Gewalt aus, mit denen der Bauunternehmer bei Abgabe seines Angebots normalerweise rechnen musste. Es kommt also entscheidend darauf an, zu welcher Jahreszeit das Bauvorhaben durchgeführt wird. Zu den Pflichten eines Dachdeckermeisters gehört es, durch geeignete Maßnahmen auch bei Beendigung einer Teilleistung die Schutzvorkehrungen zu treffen, die ein Abreißen der Dachhaut durch Windsog verhindern (so OLG Köln in der Zeitschrift Versicherungsrecht 1973, S. 43). Nicht jeder starke Wind ist also gleichzusetzen mit höherer Gewalt. Auf eine genaue Windstärke kann man sich nicht festlegen, da örtliche Besonderheiten eine Rolle spielen können. Grundsätzlich stellen Witterungsverhältnisse jedoch nur dann höhere Gewalt dar, wenn nach den meteorologischen Erfahrungen mit ihnen nicht zu rechnen war. Dazu zählen Orkane, Sturmfluten, ungewöhnliche Gewitter oder wolkenbruchartige Regenfälle. Wenn man es für den Einzelfall genau wissen will, dann wird ein meteorologisches Gutachten benötigt.
Wie verhält es sich, wenn ein Auftraggeber nicht genügend Geld für ein Notdach hat, das nicht beauftragt und es wegen unzureichender Abplanung durch starke Regenfälle zu einem Wasserschaden kommt?
Es kommt wiederum darauf an, welche klimatischen Verhältnisse gerade herrschen. Wenn vorhersehbare Witterungseinflüsse, die als kostenlose Nebenleistung gemäß ATV DIN 18299 Punkt 4.1.10 geschuldete Sicherung gegen Niederschlagswasser, zerstört haben, dann muss der Dachdecker diese umgehend erneut anbringen. Handelte es sich bei dem Witterungsereignis um einen Orkan, also um höhere Gewalt, dann bekommt er die genannte Leistung gesondert vergütet.
Fällt die Ausführung jedoch sowieso in die feuchte Jahreszeit, dann stellen Schutzmaßnahmen gegen Feuchtigkeit gemäß ATV DIN 18338 Punkt 4. 2.1 besondere Maßnahmen dar, die dann auch besonders zu vergüten sind, falls sie nicht bereits vertraglich vereinbart wurden. In diesem Fall wird also erst einmal ein Nachtrag fällig. Gibt der Auftraggeber nun zu erkennen, dass er den Nachtrag nicht beauftragen wird, weil sein Budget erschöpft ist, dann braucht er sich nicht zu wundern, dass der Bauunternehmer nichts für die Sicherung seines Bauwerks unternimmt.
Kommt der Bau, z.B. wegen Geldmangels, ins Stocken und wird deswegen ein Notdach benötigt, dann stellt dies stets gemäß ATV DIN 18338 Punkt 4.2.13 eine besondere Leistung dar, die nur gegen Nachtragsvergütung geschuldet ist.
In jedem Fall müssen jedoch der Bauunternehmer gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B sowie der Bauleiter dem Auftraggeber ihre Bedenken wegen der unterbliebenen Schutzmaßnahmen schriftlich mitteilen. Andernfalls können sie sich -unter Abzug der Sowieso-Kosten- schadenersatzpflichtig machen. Von selbst dürfte sich verstehen, das der Bauunternehmer und der Bauleiter die Baustelle regelmäßig und insbesondere nach einem Wetterereignis, zu inspizieren haben und den Bauherren unverzüglich auf einen Handlungsbedarf hinweisen müssen. Wenn der Bauherr dann nicht handelt, dann muss er Schäden an seinem Eigentum hinnehmen.
Damit wären wir also bei dem dritten Punkt, den Sie oben angesprochen haben, dem Schriftverkehr zwischen den Baubeteiligten?
Richtig. Wer wem, welche Schäden zu ersetzen hat, hängt auch davon ab, ob der Verpflichtung zur Kooperation genügend nachgekommen wurde. Nicht selten führt ungenügender Informationsfluss dazu, dass aus einem kleinen Schadensereignis ein Großschaden wird. Das wirkt sich dann natürlich auch auf die Rechtslage aus.
Herr Hennig, wir danken für das Gespräch.